Zum Inhalt springen
Startseite » Blog » Wenn schon früh etwas schiefläuft; Entwicklungstrauma?

Wenn schon früh etwas schiefläuft; Entwicklungstrauma?

Ein Entwicklungstrauma, kann verheerende Ausmaße auf den Menschen und seine gesamte Zukunft haben. Genauso wie das Fundament eines Hauses solide und stark sein muss, damit das Gebäude obendrauf aufrecht, ohne Risse oder gar einsturzgefährdet stehen kann, muss auch das Fundament in der Entwicklung des Menschen sein. Entwicklungstraumata verhindern das Legen eines soliden Fundaments.

Was sind Grundbedürfnisse der Psyche?

Wenn ein Baby geboren wird, kann es nicht viel, wie wir alle wissen. Es ist komplett von anderen abhängig. Es braucht Kontakt und Bindung beispielsweise in Form von Ansprache, Körperkontakt und Wärme. Des Weiteren hat es das Vertrauen, dass sich jemand um es kümmert, es nährt, kleidet, badet usw. Ein Baby braucht liebevolle Zuwendung und die Möglichkeit, seine Selbstbestimmung erleben zu können. Das heißt, dass es Grenzen setzt und diese eingehalten werden. Bei einem Baby könnte dies sein, dass es sich von einer Berührung wegdreht oder versucht, sich abzustoßen. Das letzte psychische Grundbedürfnis macht die Fähigkeit, seine eigenen Bedürfnisse nach physischer Nahrung und emotionaler Befriedigung zu erkennen, suchen und dann aufzunehmen.

Wie sieht die normale Entwicklung der Erfüllung dieser Bedürfnisse aus?

Das Baby beginnt unruhig zu werden, weil es merkt, dass es irgendetwas braucht. Nach einer Weile beginnt es zu weinen, um zu kommunizieren, dass es jetzt wirklich etwas braucht. Vielleicht hat es eine volle Windel, Hunger oder braucht Kontakt mit einer Bindungsperson. Spätestens hier schreitet nun diese Person ein. Üblicherweise die Mutter oder der Vater, aber es kann auch eine andere Person sein. Das Baby wird auf den Arm genommen, die Windel geprüft, Milch angeboten, es wird in den Armen geschaukelt oder anderweitig besänftigt. Das Baby kommt wieder zur Ruhe und seine Bedürfnisse sind befriedigt. Mit jedem dieser Durchläufe lernt der Säugling sich selbst besser kennen und baut lebenswichtige Fähigkeiten aus.

Was geschieht, wenn eins oder mehrere dieser Bedürfnisse nicht erfüllt werden?

Wenn schon früh etwas in der Entwicklung schiefläuft, lernt das Kind Überlebensstrategien, welche sich in einem Entwicklungstrauma äußern können. Diese haben aber hohe Kosten für die psychische Entwicklung mit sich bringen und den Grundstein für spätere psychische Störungen legen. Hier geht es nicht um ein paar Versäumnisse auf lange Zeit. Hier geht es um immer wiederkehrende Nichterfüllung der Grundbedürfnisse.

Wenn das Kind keine adäquate Bindung mit seiner Bindungsperson aufbauen kann, wird es Schwierigkeiten mit Kontakt mit anderen Menschen, aber auch sich selbst bekommen. Das heißt, es ist mit seinen körperlichen und emotionalen Bedürfnissen nicht in Kontakt. Daraus folgt oft, dass das Kind, und später der Erwachsene, nicht weiß, was es braucht und in Verbindung damit das folgende Gefühl ausbaut: „Ich verdiene es nicht, dass meine Bedürfnisse befriedigt werden“

Wenn das Grundbedürfnis des Vertrauens nicht erfüllt ist, entsteht oft der tief verankerte Glaubenssatz: „Ich kann mich nur auf mich selbst verlassen und muss immer die Kontrolle behalten“. Vertrauensvolle Beziehungen fallen dann sehr schwer oder sind sogar unmöglich.

Wenn das Kind nicht selbstbestimmt handeln durfte oder seine Grenzen immer wieder überschritten wurden, wird es Schwierigkeiten haben, seine Grenzen zu setzen und auch „Nein“ sagen zu können. Dies setzt den Menschen unter Druck und er fühlt sich belastet.

Bei einer mangelhaften Befriedigung des Bedürfnisses nach Liebe entwickeln sich Probleme mit der Sexualität, Liebe und des Selbstwertgefühls. Diese Menschen haben später ein Problem ihre Liebenswürdigkeit nicht an ihrem Aussehen, oder sexueller Leistung festzumachen. Oft ist ihnen nicht klar, ob sie liebenswert sind.

Was tut sich im Organismus bei Nichterfüllung der Bedürfnisse?

In der Psychologie spricht man von einem Stressfenster von 0 bis 100. Üblicherweise bewegen wir uns in einem Stresstoleranzfenster, das zwischen 30 und 70 liegt. Im Verlauf jedes Tages variiert unser Stressniveau allerdings. Bei 70 spricht man von einem point-of-no-return, weil wir hier unsere Handlungen nur noch sehr schwer steuern können, sodass der Stress für das Gehirn immens ist. Babys können sich noch nicht selbst regulieren. Deshalb brauchen sie eine Beziehungsperson, die dies für sie übernimmt. Wenn das nicht geschieht, erlebt der Organismus eine lebensbedrohliche Situation und wir kommen zurück auf die traumatische Zange, die ich in diesem Blogbeitrag vorgestellt habe. Der Körper des Babys springt dann in den Überlebensmodus und es etablieren sich die oben beschriebenen Muster.

Was können Gründe dafür sein, dass Bindungspersonen die Bedürfnisse des Kindes nicht erfüllen (können)?

Es kann sein, dass die sorgeberechtigten Personen selbst eine psychische Störung haben und somit die Bedürfnisse des Kindes nicht befriedigen können. Vielleicht müssen sie aber auch viel arbeiten, um genügend Geld zu verdienen, damit die Familie überleben kann und das Kind ist vielen wechselnden Kontaktpersonen ausgesetzt, was eine feste Bindung verhindert. Eventuell haben die Eltern selbst keine sichere Bindung erfahren und können diese selbst ihrem Kind nicht bieten. Vielleicht fehlt den Sorgeberechtigten ein soziales Netzwerk, welches sie unterstützt. Es gibt viele Gründe, warum die Bedürfnisse von Babys und Kindern nicht erfüllt werden (können). Umso wichtiger ist es, dass sich diese Personen Hilfe und Unterstützung suchen. 

Kann man Entwicklungstraumata heilen?

Entwicklungstraumata sind die schwerwiegendsten Traumata, die üblicherweise auch am längsten therapeutisch begleitet werden. Heilen im Sinne von ungeschehen machen, geht nicht. Aber der betroffene Mensch kann lernen, seine Grundbedürfnisse selbst zu erfüllen. In vielen Fällen ist es möglich, dass eine „Nachbeelterung“ in der Psychotherapie stattfindet. Diese Nachbeelterung lässt dem Klienten gezielt elterliche Fürsorge zukommen, um Entwicklungstraumata zu lindern. Natürlich geschieht dies in einer angemessenen Therapeuten-Klienten-Beziehung, und natürlich ist dies nicht die einzige Methode. In der Arbeit kann auch der Klient selbst sich Fürsorge zugutekommen lassen. Es hat sich gezeigt, dass die fürsorgliche Erfüllung der Bedürfnisse ein wichtiger Stein in der nachträglichen Stabilisierung und Verarbeitung der frühen Wunden der Seele ist.

Ich freue mich darauf, Sie wieder hier begrüßen zu dürfen

Schreiben Sie einen Kommentar